Kindheit und Jugend
Angela Merici wurde zwischen 1470 und 1475 in Desenzano am Gardasee geboren und wuchs in dem kleinen Bauernhaus Le Grezze auf.
Sie war die Tochter des Giovanni Merici, eines Landwirts in Desenzano, und seiner Ehefrau, die aus der angesehenen Familie Biancosi stammte. Sie hatte mehrere Geschwister. Aus Angelas ersten Lebensjahren ist nur wenig bekannt. Offenbar erhielt sie neben der Unterweisung durch die Eltern keinen eigentlichen Unterricht, dennoch war sie, wie sich später zeigte, eine gebildete Frau.
In jungen Jahren verlor sie erst ihren Vater und dann eine Schwester, die wohl ihre engste Gefährtin war. Nach dem Verlust der beiden spürte das junge Mädchen deutlich, dass Gott sein Leben beanspruchte.
Erste Ausrichtung des Lebens
Als um das Jahr 1484 auch noch ihre Mutter starb, fand das Familienleben in Le Grezze ein Ende. Angela zog zu der Familie eines Onkels mütterlicherseits im benachbarten Salò. Dort lernte sie das luxuriöse Leben der vornehmen Gesellschaft der Renaissance kennen, aber sie übernahm diesen Lebensstil nicht; sie fühlte sich vielmehr zu einem einfachen, religiös geprägten Leben hingezogen.
Während dieser Zeit wurde sie Mitglied im Dritten Orden des heiligen Franziskus Ihr ganzes Leben hindurch nahm Angela ihre Mitgliedschaft sehr ernst. Selbst nachdem sie ihre eigene Gemeinschaft gegründet hatte, verstand sie sich weiterhin als „Suor Angela, Tertiaria“.
Mit etwa zwanzig Jahren kehrte Angela nach Le Grezze zurück. Dort führte sie ein anspruchsloses Leben in Arbeit und Gebet.
Wahrscheinlich in dieser Zeit soll sie einmal während der Mittagspause auf dem Feld eine innere Schau gehabt haben, in der sie ihre geliebte Schwester inmitten von Engeln aus dem Himmel herabsteigen sieht. Die Prozession sei vor ihr stehen geblieben, und die Schwester habe ihr gesagt, Gott wolle mit ihrer Hilfe eine Gemeinschaft geweihter junger Frauen gründen.
Geistig-geistlicher Mittelpunkt in der Reformbewegung
1516, also mit ungefähr 40 Jahren, reiste sie auf Wunsch der Franziskaner nach Brescia, um dort einem anderen Mitglied der franziskanischen Familie, Caterina Patengola, zu trösten, die gerade ihren Mann und drei erwachsene Kinder verloren hatte.
In Brescia traf sie auf eine religiöse Reformbewegung, zu der die „Divino-Amore-Bruderschaft" gehörte. Im Hause Patengola begegnete Angela drei Männern aus dem Umfeld der "Divino Amore": Caterinas Neffe Girolamo Patengola, Girolamos Freund Agostino Gallo und dem wohlhabenden jungen Kaufmann Giovan Antonio Romano. In wenigen Jahren sammelte sich so um Angela eine Gruppe junger Männer und Frauen, deren geistiger Mittelpunkt sie wurde.
Nach einem kurzen Aufenthalt bei Caterina Patengola nahm sie die Einladung Romanos an, in seinem Haus im Zentrum von Brescia zu wohnen. Wie in Le Grezze führte sie ein sehr einfaches Leben . Agostino Gallo schreibt über dieseZeit, dass „sehr viele Menschen sich bei ihr Rat holten - jeder in seinen besonderen Nöten - und dass sie wirklich in der Lage war, in jeder Notsituation zu helfen. Sie beriet alle mit solch einer Liebenswürdigkeit, dass ihr Zimmer nie leer wurde.“
Klärung des Lebensziels
Von Zeit zu Zeit unterbrach Angela jedoch ihr Leben in Brescia und ging auf Wallfahrt.
Als eine für ihr Leben bedeutsame Reise unternahm sie 1524 in Begleitung von Antonio Romano eine Wallfahrt ins Heilige Land. Unterwegs erblindete Angela aus unerklärlichen Gründen. Sie gab ihr Ziel nicht auf, obwohl sie langsam von Ort zu Ort geführt werden musste. Die eigenartige Krankheit dauerte während des ganzen Aufenthaltes im Heiligen Land und wich dann genauso unvermittelt, wie sie gekommen war.
Bald nach ihrer Rückkehr, wahrscheinlich im Heiligen Jahr 1525, machte sie eine Wallfahrt nach Rom. Während dieser Reise erhielt sie eine Privataudienz beiPapst Clemens VII. Im Verlauf der Audienz bat er sie, bei den dortigen „luoghi pii“, religiös fundierten sozialen Einrichtungen, zu bleiben. Angela lehnte ab und kehrte nach Brescia zurück.
Ihr Wirken dorrt wurde 1527 gewaltsam unterbrochen. Angela floh mit ihren Freunden vor der heranrückenden Armee Karls V. nach Cremona, wo sie schwer erkrankte. Doch bald danach unternahm sie eine weitere Wallfahrt, dieses Mal nach Varallo, wo die heiligen Stätten von Jerusalem nachgebildet sind.
Gründung der Gemeinschaft
Seit dem Jahre 1530 lebte Angela wieder in Brescia, und zwar im Haus des Agostino Gallo. Auffallend war, dass ihre körperlichen Kräfte im Gegensatz zu ihrer geistigen Frische immer mehr abnahmen.
1532 bezog sie einen kleinen Raum an der Kirche St. Afra. Inzwischen hatte sie eine kleine Gruppe von jungen Frauen und Witwen um sich gesammelt. Vermutlich machte sie mit einigen von ihnen im August desselben Jahres nochmals eine Wallfahrt nach Varallo. Es war ihre letzte Reise.
Von da an verwendete Angela all ihre Zeit auf die Formung der Gemeinschaft. Vom Herbst 1533 an traf sich die Gruppe regelmäßig zu Gebet und religiöser Unterweisung in einem Gebetsraum im Hause der Witwe Elisabetta Prato am Domplatz.
In dem Bewusstsein, einer ganz neuen Lebensform Gestalt geben zu wollen, erkannte Angela die Notwendigkeit einer rechtlich abgesicherten Fixierung. Ihre Entwürfe erörterte sie immer wieder mit erfahrenen Personen, besonders mit Frauen der entstehenden Gemeinschaft, bis sie schließlich ihrem Sekretär und Berater Gabriele Cozzano den endgültigenText diktierte. In einem langen Prozess war so die erste Regel einer Frau für eine Frauengemeinschaft entstanden.
Am 25. November 1535 kam es zur offiziellen Gründung der Gemeinschaft. Die Zeremonie, in der sich die Gründung vollzog, war schlicht: Angela versammelte 28 ihrer Gefährtinnen. Nach der gemeinsamen Eucharistiefeier schrieb jede ihren Namen in das Buch der Gemeinschaft und versprach auf diese Weise feierlich ihre Treue. Von nun an nannten sie sich „Compagnia di Sant' Orsola“.
Angelas letzte Lebensphase
Bis zu ihrem Tod verfasste Angela zwei weitere Schriften, die „Ricordi“ (Gedenkworte) und die „Legati“ (Testament), beide an jene gerichtet, die nach ihrem Tod die Leitung der Gemeinschaft übernehmen würden.
Am 27. Januar 1540 starb Angela in ihrem kleinen Zimmer an der Kirche St. Afra. Es war ein stiller Heimgang. Der Stadtschreiber von Brescia berichtet:
„Sie wurde mit solch einer Feierlichkeit und inmitten solch einer großen Menschenmenge überführt, dass der Zug wie das Begräbnis eines Fürsten wirkte. Der Grund für all dies war, dass Madre Suor Angela weit und breit den Glauben an den allmächtigen Gott gepredigt hat und von allen geliebt wurde.“